27.04.- 01.05.2019. Wir stecken immer noch in Seoul fest…

Wieder ziehen die Tage an uns vorbei und wir sind mit der Beschaffung unserer langersehnten Dokumente beschäftigt, denn wir kommen diesbezüglich nicht vom Fleck.
Dementsprechend haben wir nicht viel unternommen und immer wieder auf eine Nachricht gewartet.

Die miese Nachricht vom Freitagabend, grundlos auf der Schwarzen Liste der Russen zu sein hat vor allem mich ziemlich kalt erwischt und ich mache mir das erste Mal richtig Sorgen was sein könnte, wenn man uns von dieser nicht wieder löscht, doch vor Montag werden wir keine Antwort bekommen.

Trotz den miesen Nachrichten sind wir zwischendurch aber auch mal an die frische Luft gekommen und haben am Samstag per Zufall einen riesigen Flohmarkt entdeckt.
Auf dem Weg zum Gwangjang Market sind wir durch die kleinen Gassen des alten Viertels geschlendert und haben uns gefragt, weshalb heute so viele Leute unterwegs sind.
Die Antwort ergibt sich relativ schnell und wir staunen nicht schlecht als wir die ansonsten eher ruhigeren Strassen so vollgestopft sehen.

Am Boden ausgebreitet, an Ständen schön aufgestellt und aufgehängt werden alte und neue Sachen zum verkauf angeboten.
Man kriegt wirklich alles, es gibt nichts was es hier nicht gibt und vor allem die teils kaufsüchtigen Koreaner befinden sich im Blutrausch.
Wir lachen als wir die Frauen beobachten, wie sich zu viert ganze Kisten durchwühlen, Sachen rausnehmen und wieder reinwerfen, bis sie für sich das Richtige gefunden haben.

Die Stimmung ist gut und wir lassen uns mitreissen und vergessen für ein paar Stunden unsere Sorgen, während wir an verschiedenen Ständen Dinge anschauen und hier und da etwas essen.
Auch am Gwangjang Market selbst ist die Hölle los und es hat so viele Menschen, dass wir kaum durchkommen.
Bei einem dieser Stände mit Bänken setzen wir uns und teilen uns einen Teller mit Mandu, dazu gibt es meistens eigelegte Zwiebeln, Sauerrübe und Kohl, eingelegt in eine Chilisauce, Kimchi genannt.
An das scharfe Essen haben wir uns längstens wieder gewöhnt und es macht uns überhaupt nichts aus.

Auf dem Rückweg schlendern wir durch verschiedene Strassen und wieder durch den Flohmarkt und kommen erst am frühen Abend wieder bei der Unterkunft an.
Gross Hunger haben wir nicht mehr, wir teilen uns eine Pizza zum Abendessen und schauen uns Lucky Luke mit Terrence Hill an, bevor wir zu Bett gehen.


Am Sonntag schlafen wir aus und überlegen uns einen weiteren Plan B, für den Fall dass wir die Visa für Russland gar nicht bekommen würden, bei unserem momentanen Pech würde es uns nicht wundern.
Also ist wieder Karten studieren angesagt und das Erwägen von verschiedenen Möglichkeiten, dies dauert dann auch ein paar Stunden.

Als wir langsam Hunger haben, machen wir uns anschliessend auf den Weg um etwas zu essen.
Draussen donnert der Verkehr an uns vorbei und auch die Ambulanz ist ständig unterwegs, Südkorea hat eine sehr hohe Unfallrate.
Das Wetter ist nicht mehr so schön wie am Samstag und graue Wolken ziehen über den Himmel, trotzdem nutzen wir die Zeit um uns ein bisschen zu bewegen und nicht den ganzen Tag im Zimmer zu hocken.

Da wir unsere Kleider noch waschen müssen, nehmen wir sogleich unseren Wäschesack mit und machen uns damit auf die Suche nach einem Laundromat, wo wir selbst waschen können.
Da alles auf Koreanisch angeschrieben ist und das GPS dank 5G Netz und anderen Strahlungen ständig schwankt und der Pfeil in alle Richtungen dreht, müssen wir ein -zweimal nachfragen, bis wir ihn gefunden haben.

Zum Glück sind die Waschmaschinen so gross, dass wir gleich alles auf einmal reinschmeissen können.
Nachdem wir sie getrocknet haben, gehen wir dann auch endlich was essen und bringen anschliessend den Sack zurück ins Zimmer.

Anschliessend spazieren wir noch ein wenig durch die Gegend, erkunden andere Viertel und stellen fest, dass manchmal irgendwie alles genau gleich aussieht.
Als es gegen den Abend zugeht, kehren wir zurück und vertreiben uns den Rest des Abends mit Filme online gucken und plaudern.
Heute haben wir keine Bilder gemacht.

Am Montagmorgen müssen wir aus der Unterkunft ausziehen, worüber ich aber nicht unglücklich bin, denn unser Zimmer hatte ziemlich was von einer Zelle.
Das Tobi im Bett über mir schläft stört uns beide nicht, aber wir hatten im Raum kaum Tageslicht weil eine Hauswand direkt hinter dem Fenster runterging und das Zimmer hatte keinen Fleck Farbe, sondern war eiskalt in weiss gehalten.
Also freue ich mich nun richtig darauf, wieder rauszukommen und zu wechseln und da unsere neue Unterkunft nicht allzu weit entfernt, bleiben wir auch im gleichen Viertel.

Im Hostel Korea Original wo wir unser Zimmer gebucht haben, empfängt uns dann ein farbenfrohes und gemütliches Zimmer mit dem kleinsten Badezimmer der Welt, was uns aber überhaupt nicht stört und es hat viel Tageslicht.
Dort angekommen richten wir uns zuerst mal ein und dank genügend Ablageflächen was es sonst selten gibt, können wir unsere Sachen auch mal richtig auspacken und ordentlich aufstellen.

Später gehen wir etwas essen, wir haben ein günstiges Restaurant gefunden wo man Mittag ein Curry und andere Sachen bekommt, es wird vermutlich unser Restaurant des Vertrauens.

Da in Seoul ein paar Bäche durch die Stadt fliessen, machen wir anschliessend auf den Weg um einem der Bachläufe zu folgen.
Auch dieser Teil hier ist wieder sehr beliebt und uns kommen eine Menge Einheimische entgegen die joggen, Fahrradfahren, Laufen oder einfach auf einer Bank am Wasser sitzen.
Doch nicht nur das, sondern auch Leute die ihren Hunden Kleidern anziehen und sie im Kinderwagen spazieren fahren, selten haben wir so etwas gesehen.

Die Hunde werden wie Kinder behandelt, der absolute Kinderersatz, angezogen mit Hosen oder Röckchen, mit kleinen Schuhen und im Kinderwagen sitzend, fahren sie an uns vorbei, die Besitzer mit einem Gesicht wie stolze Eltern.
Es ist absurd und einfach nur irre! Und wenn die Besitzer keinen Kinderwagen haben, tragen sie sie in Babyschlaufen oder auf dem Arm umher, die armen Tiere können sich nicht einmal die Beine vertreten, was für eine schräge Gesellschaft.
Wir schütteln die Köpfe denn sowas verstehen Herr und Frau Schweizer nicht, doch hier gehört es zur alltäglichen Normalität.

Der Bach führt uns durch ein neues Viertel der Stadt mit einer schönen Kirche und bunten Lampions, die Gehwege sind mit bunten Blumen verziert und aus den Lautsprechern erklingt leise Musik, meistens zwar miese Coverversionen von irgendwelchen Klassikern, aber trotzdem schafft es eine schöne Atmosphäre.
Die Sonne scheint und der Himmel ist blau, wir geniessen die frische Luft und lassen die Seele baumeln.

Manchmal ist es auch ganz schön mal nichts anzuschauen und einfach den Tag so zu geniessen wie er kommt und nicht, wie man ihn geplant hat.
Zurück im Hostel warten wir dann wieder einmal bis spät abends auf Nachrichten und erfahren dabei nicht viel Neues.


Am Dienstag setzen Tobi und ich uns zusammen und fassen einen neuen Entschluss, da wir mit unserer Agentur absolut unzufrieden sind und auch kein Ende sehen.
Deshalb machen wir uns nach dem Mittagessen sogleich an die Arbeit und ich rufe als es in der Schweiz am Morgen ist, gleich den Herr der Agentur an und bitte ihn, die ganze Sache abzubrechen.
Denn während der ganzen Warterei blieb ich nicht ganz untätig sondern habe mich mit anderen Agenturen in Verbindung gesetzt und sie über unsere Situation aufgeklärt.
Die haben nur noch auf ein Okay gewartet und nun wurden neue Hebel in Bewegung gesetzt.

Ich veranlasse dass nun die neue Agentur das Ganze in die Hand nimmt und wir bei der anderen Firma abbrechen, worüber die vermutlich ebenfalls froh sind.
Am Telefon mit der anderen Firma erfahren wir immerhin, dass wir offiziell wieder runter von der Schwarzen Liste sind, die Botschaft hat ihre völlig überholte Reaktion wohl eingesehen, somit immerhin schon mal eine gute Nachricht und wir sind sehr erleichtert.

Ich bespreche mich kurz mit der neuen Agentur, die sogleich einen Kurier losgeschickt haben um unsere Dokumente in Bern abholen zu lassen.
Zum Glück dürfen wir im Hostel die neuen Formulare gratis ausdrucken, damit ersparen wir uns schon mal die Zeit, einen Drucker ausserhalb auftreiben zu müssen.
Wir füllen alles aus, lassen es kontrollieren und senden den Scan sogleich via Mail in die Schweiz, wo gleich alle Dokumente zusammen an die entsprechende Stelle gesendet werden.

Aufgrund das jetzt alles so schnell über die Bühne gegangen ist, wagen wir es, neue Hoffnung zu schöpfen und wieder ein wenig die Daumen zu drücken.
Dass wir deswegen nochmals länger in Seoul bleiben müssen, nehmen wir in Kauf, es gibt schlimmere Orte als diese Stadt, wo wir uns eh schon bald Zuhause fühlen.
Wir werden diese Woche noch Bescheid erhalten ob der Antrag geklappt hat und wir die Visa erhalten werden, also bitte ich auch Euch, uns die Daumen zu drücken.

So kaufen wir uns am Abend zwei Flaschen Bier die wir uns teilen und sehen uns ein paar Bud Spencer und Terrence Hill Filme an, anschliessend gehen wir zu Bett.
Heute haben wir keine Bilder gemacht.

Am Mittwoch ist zwar der 1. Mai, jedoch existiert dieser Feiertag hier nicht und die Leute gehen ihrem gewohnten Alltag nach.
Da wir uns in diesem Hostel sehr wohl fühlen, haben wir beschlossen hier zu bleiben so lange wir können und deswegen schon einen Tag zuvor nachgefragt ob wir verlängern dürften.
Heute haben wir das Okay erhalten und konnten gleich noch sieben Nächte dazu buchen, pro Nacht zahlen wir 25 Fr.
Wieder eine gute Nachricht mehr und die Mühe uns eine günstige Unterkunft zu suchen, können wir uns damit sogleich ebenfalls ersparen.

Nachdem wir also gleich gezahlt haben, machen wir uns auf den Weg und essen ein Curry zu Mittag, anschliessend erforschen wir einen weiteren der Bachläufe.
Diesmal geht der Weg in die andere Richtung und wieder kann man alles direkt am Bach entlanglaufen, es ist wunderschön.
Das muss man den Koreanern wirklich lassen, vieles wird liebevoll gestaltet vor allem in Parks und bei Tempeln.

Blumen, kleine Brücken, Musik, gepflegte Anlagen, saubere öffentliche Toiletten und so weiter, alles ist immer schön hergerichtet, auch Fitnessgeräte stehen überall zur Verfügung, die die Leute auch tatsächlich nutzen.
Obwohl die Stadt riesig ist, hat sie doch etwas sehr entspanntes an sich und dass spürt man auch bei den Leuten selbst, denn sie sind sehr relaxt, bis auf die paar Irren die es aber überall gibt.

Wir schlendern also an diesem Bachlauf entlang und kommen vorbei an Sportplätzen, alten Gebäuden, gehen unter Bäumen hindurch und vergessen dabei schon fast, dass wir uns in einer riesigen Stadt befinden, auch das ewige Rauschen von den Fahrzeugen ist hier nur noch gedämpft zu hören.
Die Strecke ist lang und zieht sich noch recht, am Ende kommen wir beim riesigen Fluss raus, der die Stadt in zwei Hälften teilt.

Dort ist der Weg dann auch mehr oder weniger fertig und wir kehren um und gehen auf der anderen Seite wieder retour, immerhin haben wir so einen kleinen Marsch von zehn Kilometern zurückgelegt du uns ein wenig bewegt.
Da es schon kurz nach vier Uhr am Nachmittag ist, gehen wir zurück zum Zimmer und chillen noch ein wenig, ehe wir um sieben was essen gehen.

Wir schliessen den Abend mit «Zwei glorreichen Halunken» ab und bewundern Clint Eastwoods Schiesskünste in den Sechzigern.
Anschliessend machen wir Feierabend und hauen uns aufs Ohr.

 

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